Odysseus und sein Regenbogen




I: Also das war mal ein Tag! Die ganze Nacht hat es durchgeregnet, mein Tennisellbogen meldet sich wieder nach unserer gestrigen Ausfahrt und erschwert mir das Kuppeln, dein Choke will nicht mehr, nachdem die ganze Nässe ihn lahmgelegt hat…
M: Naja, das ist auch deine Schuld, den Bowdenzug hättest du vorher ja mal wechseln können.
I: Ich habe alle anderen Züge gewechselt und sogar als Ersatz dabei, aber den habe ich vergessen.
M: Sag ich doch!
I: Und dann noch der Unfall heute morgen.
M: Erzähl nochmal kurz… das ging alles so schnell.
I: Ich wollte anhalten um Fotos zu machen, fuhr rechts rüber und auf einmal knallt es und jemand hat mich von hinten am Koffer mitgenommen. 
M: Aber ein Glück nur am Koffer und nicht richtig von hinten.
I: Ja, das war echt Glück! Im Nachhinein ist mir noch aufgefallen, das der viel zu schnell gewesen sein muss. Als ich zwischendurch in den Rückspiegel geschaut habe auf der langen Strasse, habe ich niemanden gesehen und wir haben uns an das Tempolimit gehalten. Und auf einmal war er da, wie aus dem Nichts.
M: Aber wie ist das dann gelaufen, hab euch nicht richtig verstanden…
I: Tja, der junge Mann mit seinem riesigen PickUpTruck setzte zu mir zurück, fragte mich ob alles okay sei und dann sahen wir den Koffer. Der hing nur noch an dem Zurrgurt, den ich zur Sicherheit drum gemacht hatte, die hintere Arretierung war abgerissen, ne Delle im Koffer und deine Seitenverkleidung am Luftfilter ist gebrochen durch den Schlag. Er kramte direkt ein Seil raus und band den Koffer wieder fest. Anhand des Knotens war er Fischer oder Segler. Dann sagte er etwas wie „WE will go to an garage and they will check it“. Hast du das auch gehört?
M: Kann ja kein Englisch, aber an die Worte „We“ und „garage“ kann ich mich erinnern.
I: Gut, dachte schon ich würde mit meinen Erinnerungen Memory spielen. Nach der Aussage dachte ich, der kennt jemanden der sich das anschaut, alles wird gut. Dann sagte er „Let this check in a garage“. Er stieg ins Auto, ich dachte er wollte was holen oder telefonieren… und fuhr weg!
M: Was für ein Idiot.
I: Yep! Michel sagte dazu: „Idioten gibts in jedem Land“
M: Und das hier, wo die alle soooo gesittet fahren…
I: Ich war so perplex, das ich gar nicht hinterher fahren konnte, ausserdem war mein Koffer noch nicht genau kontrolliert und mein Adrenalinschub nicht genügend abgebaut. Fühlte sich an wie eine verzögerte Fahrerflucht. Aber mit dem neuen Zurrgurt, den ich mir dann gekauft habe, geht jetzt alles wieder. Also, alles gut, für die da draußen :-)
M: Meine gebrochene Verkleidung hast du vergessen?
I: Da kümmern wir uns daheim drum. Sei froh das wir beide noch hier sind.
M: Yep, hast Recht! Bin froh… immer noch auf dem Weg zum Nordkap.
I: Nachdem wir die schwierige Entscheidung getroffen hatten, die Lofoten vorzeitig zu verlassen und wir irgendwann auf der E10 waren, brach Ja für einen Moment kurz der Himmel auf, die Sonne kam durch und es entstand dieser tolle Regenbogen, auf den wir zufuhren.
M: Ja, der war Super!
I: Zuvor hatte ich mit der Entscheidung noch richtig gehadert, obwohl ich wusste das sie unausweichlich war, aber erst in dem Moment wusste ich, das wir das richtige getan hatten. Vorher habe ich mich gefühlt wie Homers Odysseus auf seiner Odyssee. 
M: Wer ist das? Warte, die AfricaTwin hat von dem erzählt, über die Fahrt in Spanien.
I: Kann sein, er ist so ein alter griechischer Held, der auf seiner Heimreise mit einigen böswilligen Göttern zu kämpfen hatte, die ihm ständig Steine in den Weg legten.
M: Also glaubst du an Götter?
I: Nein… wenn überhaupt, dann wäre das bei mir der eine Gott… aber da gibts wohl Verständnisprobleme meinerseits.
M: Götter, ein Gott? Warum einmal viele und dann nur einen.
I: Früher gab es sehr viele Götter, für alle wichtigen Lebensbereiche einen, zum Beispiel für die Sonne, die Liebe und leider auch den Krieg. Bei uns gibt es bereits seit zwei Jahrtausenden nur noch einen, allmächtigen Gott.
M: Also wenn es Götter gäbe… dann ständen die Norweger sehr hoch im Kurs des Regengottes, die Deutschen hingegen straft er gerade ab, weil sie ihn nicht mehr anbeten? Kann man das so sehen.
I: Man könnte, wenn man von Göttern ausgeht…
M: Aber das mit dem einen ist viel praktischer, man hat nur eine Ansprechperson, man muss nicht ständig zwischen den Gottheiten hin und her switchen. Und Opfer braucht man auch weniger.
I: Ja, sehr praktisch. Aber momentan geht der Trend wieder weg von dem einen, zurück zu mehr Gottheiten, an die man glauben möchte. 
M: Was sind das für welche?
I: Naja, so etwas wie Schönheit, Berühmtheit, Likes auf Facebook und Co, das Ich..
M: Was? Du? Du bist ein Gott?
I: Nein, nicht Ich, DAS I… oh, aber Ja, du hast Recht… ich bin eine Gottheit. Du kannst dich sehr geehrt fühlen mit mir reisen zu dürfen.
M: Wahnsinn… warum hast du das nicht früher gesagt, ist ja toll! Aber was für ne Gottheit bist du denn… was für ein Spezialgebiet… Nein, lass mich raten…der  Mechanik? Abstrus, des Krieges? Lächerlich, des guten Geschmacks… des… des sportlichen Kurvenfahrens? Quatsch… des..
I: Okay, es reicht, ich stell dich jetzt ab und du kannst froh sein, wenn ich dich morgen wieder anstelle.
M: Och, da mache ich mir keine grossen Sorgen, ohne mich kommst du hier ja nicht weg :-) Gute Nacht!
I: Mmhh… Gute Nacht.

I:Ah, nur noch 630 km ;-)




Kommentare

  1. Na dann danken wir doch zumindest Deinem Schutzengel, dass nicht mehr passiert ist und für den unübersehbaren Wegweiser. Gute Fahrt!

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  2. Idioten gibt es wohl überall, aber gut, dass es nichts Ernstes passiert ist. Falls du noch eine WetterradarApp für den Nordkapp brauchst - Ich kann "Windy" empfehlen. Oder auch nicht, weil auch dort das Wetter nicht gut aussieht...Gute Fahrt!
    Wolfgang

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  3. Oh- das habe ich gerade erst gelesen/ hatte diesen Block übersehen- vielleicht unterbewusst… danke deinem Schutzengel!

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